Tagebuch


Tag 7, Donnerstag 20.09.2007

Was für eine Horror-Nacht! An Schlaf war nicht zu denken. Nach 4 Tagen hartem Mais zeigt mein Magen kein Verständnis mehr und drängelt mich mitten in der Nacht aufs Klo. Auf das immer noch verstopfte Hausklo bekommt aber auch der mich nicht. Das ist dermaßen konterminiert daß wir uns im "Badezimmer" nicht mal mehr die Zähne putzen, geschweige denn andere Sachen tun. Was bleibt mir übrig? Mein persönlicher Dämon - die Latrine! 15 min. menthale Konzentration und dann Zähne zusammen, Taschenlampe an und raus in die Dunkelheit. Himmel, was für ein Gestank! Zehn Minuten reinstes Überlebenstraining und Grenzerfahrung. Dann nix wie wieder raus aus der Bakterienhölle. Eine ganze Flasche Desinfektionsmittel später kann ich endlich meine so dringend erforderliche Nachtruhe fortsetzen, wenn auch nur für ein paar Stunden. Am nächsten Morgen gehts dann nach dem üblichen wässrigen Instantkaffee raus in den Garten zum Zähne putzen. Ich denke das werde ich von nun an nicht mehr erwähnen ;). Bei den heute anstehenden Arbeiten am Waschraum helfen Douglas der Nachtwächter, Joseph der Lehrer und Vincent, der gestern schon dabei war. Im Unterschied zu den anderen will der bezahlt werden. Er ist eigentlich Student und jobt um seine Ausbildung zu finanzieren. Er will Ingenieur und eine wichtige Persönlichkeit, ähm, werden, also später und so. Als ich ihm erkläre daß wir hier freiwillig arbeiten und keine Bauunternehmer sind, guckt er ganz bedeppert und fährt sein Engagement spürbar runter.

Da wir ihn brauchen, geben wir ihm 200 KSH damit er wieder mitmacht. Diese Höhe finden wir angemessen, die enspricht mehr als dem durchschnittlichen Einkommen eines Tages hierzulande (dennoch wird er nicht wiederkommen). Vincent übernimmt wie gestern schon das Mischen des Zements mit Sand und Douglas schlägt die Löcher für die Holzpfeiler. Dazu benutzt er einfach eine schwere Eisenstange. Dann die Zementmischung plus Steine rein und fertig. Die selbe Mischung dann auf die gestern vorbereitete Ebene gekippt und die ersten 4 Steinplatten auf die noch feuchte Masse gelegt. Dauerte nicht lange und der Zement war alle. Super! Und Wendy mit dem Auto in Karen, Bücher holen. Also fangen wir an den Eingang zu konstruieren und müssen alle 5 min. aufhören weil die Kids uns ständig das Werkzeug klauen um damit zu spielen. Ja, genau, spielen mit den Pangas, super Idee! Na ja, viel weiter sind wir so natürlich nicht gekommen. Irgendwie regt mich das innerlich dermaßen auf obwohl ich mittlerweile immer afrikanscher denke. Pole Pole! (immer schön langsam). Wir sind hergekommen um in der kurzen Zeit in der wir hier sind etwas zu schaffen, zum Gemeinwohl zu hinterlassen (das wird sich noch als totale Fehleinschätzung erweisen). Der Elektriker ist auch schon wieder abgehauen. Wendy hatte versucht mit ihm zu verhandeln, ohne Erfolg. Na ja, es wird ja wohl noch andere Elektriker hier geben. Das kann natürlich dauern, wir sind ja hier in Afrika. Der Klempner war wohl auch kurz da und ist dann wieder weg weil der Manager die geforderte Duschbrause wieder nicht gebracht hat. Hauptsache die kommen heute die Latrine leeren. Mein Sonnenbrand Stufe 3 im Gesicht schmerzt auch in der Sonne nicht mehr so, der Magen bleibt bisher auch ganz tapfer und das Wasser trinken wir entweder abgepackt oder wie heute, als wir unsere beiden 5l Wasserkanister zum Teufel nochmal nicht wiederfinden konnten, abgekocht und mit Silberionen-Tabletten entkeimt hatten. Aber das Kloproblem wird langsam zum Prio-1 Case, zumal uns auch ständig Bohnen gefüttert werden. Also, im Augenblick haben wir nix zu tun. Die Kids beschäftigen sich mittlerweile mit der Bearbeitung des knochentrocknen Gartens.

Vincent meint, er kenne ein paar Arbeiter auf einer Baustelle in der Nachbarschaft. Vielleicht können wir dort etwas Zement schnorren. Alternativ hätten wir ein paar Kilometer weiter Zement kaufen und das Zeug per Esel durch die Maisfelder karrend, zurück transportieren können. Im Prinzip ne sportliche Idee, aber... hallo? Woher den Esel nehmen? Das wusste er auch nicht. Das hab ich mir gedacht. Die Arbeiter auf der anderen Baustelle hatten aber auch keinen Zement mehr. Also dann auf Wendy und den Pickup warten. Als Wendy wieder kam gab es erstmal Mittag. War diesmal echt gut, vielleicht ein wenig zu scharf. Hat Theressa gekocht, die kümmert sich hier um alles. Die Gute ist morgens, bevor alle aufstehen, bis spät abends wenn alle schon zu Bett sind und kocht und putzt und wäscht. Sehr liebe, freundliche und unglaublich fleißige Frau. Sie lebt allein mit drei Kindern (10, 14 und 17 Jahre). Sie hat vor Jahren ihren Mann verloren und musste von ihrem Grundstück jenseits der Ngong Hills wegziehen. Seit dem verkaufte sie Obst und Gemüse auf den Märkten. Dann wurde sie eines Tages überfallen und niedergeschlagen, jetzt kann sie nur noch tagelöhnern. Es trifft immer die, die ohnehin nix haben. Sie bekommt ca. 150 KSH am Tag, 5 mal die Woche (am Wochenende kochen die Mädchen selbst) macht 36.000 KSH im Jahr was einem Gegenwert von etwa 400 Euro entspricht. Wie sie damit ihr Leben bestreitet und ihre Kinder zur Schule schickt ist uns ein totales Rätsel, aber sie tut es einfach. Und das alles mit einer Engelsgeduld. Eine bemerkenswerte Frau!

Wir dann also wieder nach Ngong. Zement brauchten wir keinen mehr, der war plötzlich einfach da. Wer den angekarrt hat konnte uns keiner sagen. So sind sie. Ein Fremder kam dann später und wollte 1.450 KSH dafür haben. Ich habe nix weiter gefragt und einfach nur bezahlt. Nach kurzem Stop am lokalen Supermarkt, unsere Wasservorräte auffüllen und Seife für die Kids kaufen, haben wir den Rest des ziemlich heißen Tages in einer Schreinerei verbracht. Wir wollten eigentlich nur 11 Bretter Holz kaufen. In Deutschland geht das in 30 Minuten. Aber nicht in Kenia! Da kommt z.B. irgendwer vorbeigelatscht quatscht die Arbeiter an, hält alle von der Arbeit ab, schwatzt stundenlang bevor sich irgend jemand wieder bewegt. Wenn man sich nicht alle 10 min. in Erinnerung bringt vergessen die einen glatt.

Endlich, nach ca. 2 Stunden, war das Holz dann zugeschnitten. noch 6 mal 3x2m Wellblech aufgeladen und weiter zum Testimony Hardwarestore Pinsel und Farbe kaufen. Dort sind wir mittlerweile schon gut bekannt.

Kein Wunder das die afrikanische Ökonomie nicht voran kommt. Die Regierung verschachert ihre Ressourcen ausländischen Firmen, die dann wieder daraus gewonnene Podukte für teuer Geld zurückverkaufen. Anstatt sich das eigene Knowhow aufzubauen, ja eben auch einzukaufen muß man hier selbst für Plastikkugelschreiber 2-3 Mal so viel wie anderswo bezahlen weil, ist ja importiert! Beonders aggressiv betreiben hier die Chinesen Handel und haben den Bausektor fast komplett in ihrer Hand. Die meisten Dinge des altäglichen Lebens sind "Made in China" und die Qualität einfach nur schlecht. Der durchschnittliche Kenianer hat aber kein Geld um die Konsum-Maschine anlaufen zu lassen. Was die Kenianer selbst können ist grundsolide wie Zement und Wellblech herstellen und Bananen, Kaffe und Tee anbauen sowie Öl und einige Edelmetalle verscherbeln. Der Rest ist von mangelhafter Qualität da schlechte industrielle Infrastruktur oder eben wieder schlechtes Consulting von ausländischen "Beratern". Es gab vor einigen Wochen z.B. einen politischen Eklat als wieder ein überfleissiger Unterminister (es gibt ca. 50 Minister für irgendwas in Kenia) eine nahe Nairobi gefundene Titan-Mine für ein paar 10.000 Dollar einer ausländischen Mining Company verpachtet hat. Dieses Metall ist sehr selten und wird auf Grund seiner extrem hohen Dichte und antiallergenen Eigenschaften vor allem in der Medizintechnik verwendet, aber auch in der Schmuckindustrie ist Titan mittlerweile sehr gefragt. Die Renditen aus den Gewinnen von Abbau und Weiterverkauf sind entsprechend hoch - Titan bewegt sich in etwa der selben Liga wie Gold. Also warum selber abbauen wenn ich mir ein paar Dollar in die eigene Tasche stecken kann. Hauptsache mir und meiner Familie gehts prima. Zum heulen! Einfach was auf die Klatsche und den Posten neu besetzen. Dummerweise würde sich dadurch wohl nichts ändern. Das steckt einfach zu tief in den Köpfen. Genau wie die ethnischen Probleme, mein Stamm, dein Stamm, willst Du wohl oder es gibt auf die Mütze.
Weiter gehts, Farbe und Pinsel gekauft. Dann wieder zurück ins Kinderheim und die Arbeit der verbliebenen Handwerker kontrolliert. Ich weiss nicht, den Boden hatte ich mir schon etwas anders vorgestellt, die Platten sind schief verlegt, wollten wir zwar so in etwa aber alles war eben etwas zu sehr uneben.

Aber vielleicht haben wir den Untergrund auch nur schlecht begradigt. Klar, müssen wir gewesen sein, gibts ja wohl keine Diskussion ;-). Auf jeden Fall sind wir einen Schritt weiter. Morgen sind die Wände und das Dach dran, 1 1/2 Säcke Zement haben wir auch noch um vielleicht den Boden etwas auszubessern. Insgesamt haben wir jetzt schon weit über 600 Euro ausgegeben und die Resultate sind ernüchternd. Hier ist einfach alles schrecklich teuer. Geldweise ist jetzt Halbzeit, wir sind erst 5 Tage hier und die die wirklich teuren Dinge sind noch nicht mal gekauft (Rohre, Pumpe, Wassertank, etc.). Jetzt wissen wir ganz sicher daß wir uns zu viel vorgenommen haben. Dieses Projekt wird wohl das einzigste von unserer ehrgeizigen Liste bleiben. So leid es uns auch tut.
Lala Salama!

 


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